Schlei-Akademie unter Corona-Bedingungen:
Gute Lernatmosphäre, fehlende Begegnungen
Rebecca Nordmann / Kappeln
Was als erstes auffällt, ist die Stille. Nicht die Richtungspfeile auf dem Fußboden. Nicht die Desinfektionsmittelspender am Eingang. Auch nicht der Umstand, dass jeder Gast ein Datenblatt ausfüllen muss. Es ist die Stille. Sie passt so gar nicht zur Schlei-Akademie. Zu dieser bunten, vielfältigen und eben auch lauten Kunstakademie des St. Nicolaiheims in Sundsacker. „Wir wollen uns der Öffentlichkeit nicht ganz verschließen“, sagt Akademieleiterin Christina Kohla. Und gleichzeitig muss sie das aber deutlich mehr als in den Vorjahren, damit die Akademie überhaupt stattfinden kann. Es sind besondere Zeiten, und sie prägen eben auch die Kunst und das Akademieleben auf ganz besondere Weise.
Hygiene und Abstand ziehen sich wie ein roter Faden durch jeden Akademiekurs. Material und Werkzeug werden nicht verliehen, Arbeitsplätze werden nicht getauscht, wer sich im Unterrichtssaal bewegt, tut das nur mit Maske. Trotzdem – und das ist sowohl Dozenten als auch Teilnehmern anzurechnen – scheint die Stimmung untereinander ungetrübt. Lars Möller hat gemeinsam mit Ulf Petermann, beides Norddeutsche Realisten, und 26 Studenten die große Sporthalle in Sundsacker bezogen. Freie Ölmalerei lautet das Thema, in der Luft hängt Farbgeruch, an den Stellwänden fertige Bilder, quer in der Halle verteilt ragen die Staffeleien empor. „Ja, es ist einiges ein bisschen umständlicher“, sagt Möller. „Aber ich habe nicht den Eindruck, dass hier große Befangenheit herrscht.“ Atmosphäre, Umgebung, Landschaft – „es ist schon alles ideal hier“, sagt er. Das findet auch Eva Lufft, Kursteilnehmerin aus Arnis. „Ein bisschen lästig“ sei es zwar, immer wieder die Maske aufzusetzen, wenn man die Halle verlassen wolle. „Andererseits sind die Masken jetzt eben Teil unseres Alltags“, sagt sie. Der „tollen Gemeinschaft“ im Kurs seien sie jedenfalls nicht abträglich, findet Lufft und wendet sich wieder ihrer Staffelei zu.
Akademieleiterin Christina Kohla hat derweil noch ein bisschen mehr organisatorischen Aufwand als in den Vorjahren – mit Praktikantin Katharina Dietrichsen nach eigenen Worten aber eine tolle Unterstützung in diesem Sommer. Das Begleitprogramm musste trotzdem reduziert werden, es gab keine Eröffnungsveranstaltung, es wird keinen Abschlussabend geben. „Und auch jetzt zwischendurch können sich die Teilnehmer leider nicht gegenseitig in anderen Kursen besuchen“, sagt Kohla. Selbstbedienung beim Kaffee fällt flach, genauso wie der Griff ins offene Naschiglas. Gleichwohl sprechen die Feedback-Bögen eine eindeutige Sprache: Die Teilnehmer loben die Akademie, das Potenzial, die Professionalität – „aber es fehlt eben die Begegnung“, fasst Christina Kohla zusammen. „Und zwar allen.“ 230 Menschen nehmen in diesem Jahr an der Akademie teil, Anmeldungen sei über 300 eingegangen, etliche jedoch hätten aufgrund der Corona-Pandemie dann doch abgesagt. Und mit der aktuellen Zahl sei man jetzt ohnehin ans Limit gegangen, mehr hätten die Räume der Albert-Schweitzer-Schule in der aktuellen Situation nicht zugelassen.
Im Obergeschoss sind vier Teilnehmer auf zwei Räume verteilt. Sie beschäftigen sich mit dem „Abenteuer Tusche“, das Brigitte Wollert lehrt. Christa Jochens-Fünsterer ist eigentlich in Hamburg zu Hause, jetzt hat sie ein Ferienhaus in Borgwedel bezogen, um die Schlei-Akademie zum zweiten Mal erleben zu können. „Ich bin glücklich darüber, dass sie stattfindet“, sagt sie. Von Brigitte Wollert lernt sie in dieser Woche alles über Pinselführung und Rhythmik und Schriftzeichen.
Zwei Teilnehmer hat Horst Rosenberger in seiner „Digitalen Malerei“. Im vergangenen Jahr lernte Michael Sagel aus Köln bei ihm das Malen mit Computer-Mouse. Sagel leidet an einer Ataxie, einer Störung der Bewegungskoordination – er ist der digitalen Malerei treu geblieben, hat erst kürzlich bei Rosenberger in einer virtuellen Galerie ausgestellt. Im Rückblick sagt Rosenberger: „Er ist das Paradebeispiel dafür, welche Wege die Schlei-Akademie eröffnen kann.“
Selbst dann wenn die Wege wie in diesem Sommer mit Pfeilrichtung vorgezeichnet sind. Selbst dann wenn die echte Begegnung in diesem Jahr ausfällt. Selbst dann wenn es still ist.